Regionalplan Chemnitz beschlossen – Planungsverband verkennt § 2 EEG und hindert den Ausbau der Erneuerbaren in Sachsen

Von LEE Sachsen e. V.

Für die Erreichung unseres Ziels – die Erneuerbaren Energien in Sachsen zu fördern und zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlage künftiger Generationen beizutragen – spielen die raumordnerischen Festsetzungen in den Regionalplänen eine entscheidende Rolle, denn hier entscheidet sich, welche Flächen in der Region tatsächlich für den Ausbau der Erneuerbaren Energien zur Verfügung stehen. Der Planungsverband Region Chemnitz zeigt nun exemplarisch, wie die Energiewende nicht funktioniert.

Nach über einem Jahrzehnt: Regionalplan für die Region Chemnitz beschlossen

Mit mehr als 10 Jahren der Planung wurde der Regionalplan Region Chemnitz am 20. Juni 2023 in der 32. Sitzung als Satzung (RPl-S RC) vom Planungsverband beschlossen. Am 29. August 2023 wurde der RPl-S RC der Rechtsaufsichtsbehörde zur Genehmigung vorgelegt und befindet sich damit derzeit im Genehmigungsverfahren gemäß § 7 Abs. 3 SächsLPlG. Doch was lange währt, wird endlich gut?

Kaum Flächen für Freiflächen-Photovoltaik vorgesehen

Der Regionalplan Chemnitz sieht im Grundsatz 3.2.1 vor, den Anteil Erneuerbarer Energien, insbesondere durch den verstärkten Ausbau der Photovoltaik und der Windenergie, zu erhöhen. Bei genauer Betrachtung der Planungsgebiete ergibt sich jedoch, dass die Errichtung und der Betrieb von Photovoltaik-Freiflächenanlagen nach jetzigem Stand im Planungsgebiet nahezu ausgeschlossen sind:

Der hohe Anteil an Flächen, die für Photovoltaik ausgenommen sind, geht maßgeblich darauf zurück, dass der Regionalplan Chemnitz diese als Vorranggebiet Landwirtschaft ausgewiesen hat, um die diesbezügliche Vorgabe der Landesplanung zur Festlegung von mindestens 35 % zu erfüllen. Hierfür wurden jedoch auch Flächen ausgewiesen, die für die landwirtschaftliche Nutzung nur eingeschränkt geeignet sind und sogar als landwirtschaftlich benachteiligte Flächen gemäß § 1 Photovoltaik-Freiflächenverordnung vom 2. September 2021 in Verbindung mit §§ 37 Abs. 1 Nr. 2 h), 3 Nr. 7a) EEG ausgewiesen sind. Gerade diese landwirtschaftlich benachteiligten Flächen sollen laut Regionalplan aber für die Errichtung und den Betrieb von Photovoltaik-Freiflächenanlagen genutzt werden (S. 175 Regionalplan Chemnitz) – ein klarer Widerspruch. Diese Konfusion tangiert die Ausführbarkeit des Planes deutlich, denn für Vorhabenträger ist nunmehr nicht ersichtlich, ob auf diesen Flächen die Errichtung einer Photovoltaik-Anlage raumordnerisch zulässig ist oder nicht.

Mangelnde Berücksichtigung von § 2 EEG und § 35 Abs. 1. Nr. 8 b) BauGB

Des Weiteren berücksichtigt der Regionalplan Chemnitz nach jetzigem Stand § 2 EEG und § 35 Abs. 1 Nr. 8 b) BauGB nicht ausreichend:

Seit dem 29. Juli 2022 ist mit § 2 EEG das überragende öffentliche Interesse an der Errichtung und dem Betrieb von Anlagen zur Erzeugung von Erneuerbaren Energien gesetzlich verankert und ist als vorrangiger Belang in Schutzgüterabwägungen zu berücksichtigen. Obwohl zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 20. Juni 2023 die neueste Fassung von § 2 EEG bereits in Kraft war, berücksichtigt der Planentwurf diese überragende Bedeutung der Erneuerbaren Energien in seiner jetzigen Fassung nicht. Vielmehr nehmen die Erneuerbaren Energien einen vergleichsweise geringen Teil des Planentwurfs ein. Und § 2 EEG taucht im gesamten Begründungsteil nicht ein einziges Mal bei der Abwägung mit Belangen wie beispielsweise des Freiraumschutzes oder der Landwirtschaft auf.

Hinzu kommt, dass auch die Privilegierung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen nach § 35 Abs. 1. Nr. 8 b) BauGB im Planentwurf nicht berücksichtigt wurde. Im Gegensatz wird sogar auf S. 175 der Planbegründung davon ausgegangen, dass eine Privilegierung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen im Außenbereich nicht besteht. Die Änderung des § 35 Abs. 1 BauGB erfolgte zwar mit Wirkung vom 7. Juli 2023 (bzw. Verkündung am 03. Juli 2023) und damit nach Satzungsbeschluss. Allerdings wurde das Gesetz bereits seit Februar 2023 debattiert, am 15. Juni 2023 im Bundestag in dritter Lesung beschlossen und am 16. Juni 2023 vom Bundesrat nicht beanstandet. Die Planungsversammlung konnte daher damit rechnen, dass sich dieser vor Satzungsbeschluss begonnene Prozess nachträglich materialisiert, sodass die Änderung, die erst nach Satzungsbeschluss in Kraft trat, hätte berücksichtigt werden müssen.

Trotz starker Zweifel an Genehmigungsfähigkeit ist keine Überarbeitung vorgesehen

Aufgrund der mangelnden Berücksichtigung der geänderten Rechtsvorschriften ist der Regionalplan Chemnitz in seiner jetzigen Fassung nicht genehmigungsfähig. Denn gemäß § 11 Abs. 3 ROG ist für die Abwägung nach § 7 Abs. 2 ROG die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Raumordnungsplan maßgebend. Durch § 2 EEG und § 35 Abs. 1 Nr. 8 b) BauGB haben sich die Umstände wesentlich geändert und sind – wie dargelegt – offensichtlich von Einfluss auf das Abwägungsergebnis. Mit den genannten Bedenken hinsichtlich des Regionalplan Chemnitz hat sich der LEE Sachsen an den Planungsverband Region Chemnitz und an die Landesdirektion Sachsen gewandt, um auf eine Änderung des Plans hinzuwirken – leider vergeblich und ohne jede Spur von Einsicht: Unsere rechtlichen Bedenken seien unzutreffend und nicht nachvollziehbar, so der Planungsverband. Eine Überarbeitung des Regionalplans sei derzeit nicht vorgesehen.

Ausblick: Raumordnungsplan Windenergie lässt Raum für Hoffnung

So ernüchternd der Regionalplan Chemnitz für den Ausbau von Photovoltaik-Freiflächenanlagen ausgegangen ist, bietet die Windenergie-Planung noch Potenzial für Besserung: Der – noch in Planung befindliche – Raumordnungsplan Wind ist als sachlicher Teilregionalplan vom Regionalplan Chemnitz abgetrennt worden und dient maßgeblich zur Umsetzung von § 4a SächsLPlG und des Zwei-Prozent-Flächenzieles des Bundes. Die Umsetzungsfrist läuft bis zum Dezember 2027. Doch ob aus den Fehlern gelernt wird, bleibt offen.

Moritz Müller