Synthetische Flugkraftstoffe – grünes Fluid für den Himmel?
Wo stehen wir wirklich?
Einordnung und persönliche Perspektive
Synthetische Flugkraftstoffe gelten seit einigen Jahren als einer der zentralen Hoffnungsträger für den Klimaschutz im Luftverkehr. Kaum ein anderes Thema verbindet derzeit in vergleichbarer Weise energiepolitische Zielsetzungen, technologische Erwartungen und regulatorische Vorgaben. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass politische Zielbilder und reale Verfügbarkeiten miteinander verwechselt werden. Gerade deshalb ist eine nüchterne Einordnung erforderlich: Wo stehen wir heute tatsächlich, was ist realistisch erreichbar – und wo liegen die systemischen Grenzen synthetischer Flugkraftstoffe?
Klare Abgrenzung: Worum es hier nicht geht
Dieser Beitrag grenzt sich bewusst von anderen aktuellen Debatten ab. Er befasst sich nicht mit dem elektrischen oder hybridelektrischen Fliegen. Hybridflugzeuge, bei denen eine klassische Turbine in leistungsintensiven Phasen – insbesondere beim Start und Steigflug – durch elektrische Systeme unterstützt wird, befinden sich technologisch im Vormarsch und werden perspektivisch vor allem im Regionalverkehr eine Rolle spielen. Auch rein elektrische Anwendungen sind für sehr kleine Flugzeuge absehbar.
Diese Entwicklungen sind relevant – sie sind aber nicht Gegenstand dieser Betrachtung.
Im Mittelpunkt steht allein die Frage, woher künftig nachhaltige Flugkraftstoffe für die bestehende und auf lange Sicht dominierende Turbinenflotte kommen sollen.
Warum biogene Kraftstoffe hier keine Rolle spielen
Ebenso bewusst ausgeklammert werden biogene Flugkraftstoffe aus Abfällen, insbesondere aus gebrauchten Ölen und Fetten. Diese Kraftstoffe leisten heute zwar einen Beitrag zur Emissionsminderung, stoßen jedoch aufgrund begrenzter Rohstoffverfügbarkeit, konkurrierender Nutzungen und fehlender Skalierbarkeit schnell an strukturelle Grenzen. Für eine langfristige, globale Perspektive sind sie nicht geeignet, den Bedarf der Luftfahrt in nennenswertem Umfang zu decken.
Synthetische Flugkraftstoffe – technisch machbar, systemisch anspruchsvoll
Im Mittelpunkt stehen daher synthetische Flugkraftstoffe, häufig als e-Fuels oder Power-to-Liquid-Kraftstoffe bezeichnet. Sie werden unter Einsatz erneuerbarer Energie hergestellt, indem grüner Wasserstoff mit CO₂ zu flüssigen Kohlenwasserstoffen synthetisiert wird. Chemisch handelt es sich um ein Kerosin, das nahezu identisch zu fossilem Jet A-1 ist.
Der entscheidende Vorteil:
Bestehende Flugzeuge, Triebwerke und Infrastrukturen können weiter genutzt werden.
Genau das macht synthetische Flugkraftstoffe für den Luftverkehr so attraktiv – und zugleich so anspruchsvoll.
Die eigentliche Herausforderung: die Menge
Die zentrale Frage ist nicht die technische Machbarkeit, sondern die verfügbare Menge. Die weltweite Luftfahrt verbraucht heute deutlich über 300 Millionen Tonnen Kerosin pro Jahr. Selbst bei moderatem Verkehrswachstum ist für das Jahr 2050 von einem Bedarf von rund 350 Millionen Tonnen jährlich auszugehen.
Nachhaltige Flugkraftstoffe müssen daher in industriellen Größenordnungen verfügbar sein – nicht im Maßstab von Pilot- oder Demonstrationsanlagen.
Zwar werden weltweit zahlreiche Projekte zur Herstellung synthetischer Flugkraftstoffe angekündigt, ihr Reifegrad ist jedoch sehr unterschiedlich. Ein erheblicher Teil befindet sich noch im Ideen-, Forschungs- oder frühen Planungsstadium. Nur ein kleiner Anteil ist tatsächlich im industriellen Betrieb oder steht kurz vor der Inbetriebnahme. Hinzu kommt, dass diese Anlagen auf große Mengen sehr günstiger erneuerbarer Energie angewiesen sind und damit unmittelbar mit anderen Anwendungen konkurrieren – insbesondere mit der Elektrifizierung von Industrie, Wärme und Verkehr.
Europa: regulatorisch ambitioniert, industriell begrenzt
Europa nimmt regulatorisch eine Vorreiterrolle ein, etwa durch verbindliche Beimischungsquoten. Industriell zeigt sich jedoch ein deutlich nüchterneres Bild. Viele europäische Vorhaben sind Forschungs- oder Pilotanlagen. Große Produktionskapazitäten entstehen bislang vor allem außerhalb Europas – dort, wo erneuerbare Energie in großen Mengen und zu niedrigen Kosten verfügbar ist.
Deutschland ist derzeit vor allem Forschungs- und Konzeptstandort, nicht jedoch ein relevanter Produzent synthetischer Flugkraftstoffe im industriellen Maßstab.
Was bedeutet das für den Klimaschutz im Luftverkehr?
Synthetische Flugkraftstoffe werden verfügbar sein und sie werden einen relevanten Beitrag zur Emissionsminderung leisten. Lebenszyklusbetrachtungen zeigen, dass CO₂-Einsparungen von bis zu etwa 50 % realistisch erreichbar sind.
Nicht realistisch ist jedoch:
- eine vollständige Versorgung des weltweiten Luftverkehrs bis 2050
- eine kurzfristige Preisparität mit fossilem Kerosin ohne regulatorische Steuerung
Warum e-Fuels nichts für den Straßenverkehr sind
Daraus folgt eine klare energie- und verkehrspolitische Konsequenz:
Synthetische Flugkraftstoffe sind ein knappes und wertvolles Gut.
Sie müssen dort eingesetzt werden, wo es keine systemisch sinnvollere Alternative gibt – und das ist eindeutig der Luftverkehr. Für den Straßenverkehr stehen längst effizientere Lösungen zur Verfügung, insbesondere die direkte Elektrifizierung. Der Einsatz synthetischer Kraftstoffe im Straßenverkehr würde enorme Mengen erneuerbarer Energie binden und wäre aus gesamtenergetischer Sicht nicht vertretbar.
Im Landesverband Erneuerbare Energien Sachsen (LEE) ist Professor Maslaton für den gesamten Bereich Verkehr zuständig, mit einem besonderen Schwerpunkt auf dem Luftverkehr.
Er ist Rechtsanwalt und seit über 25 Jahren im Luftverkehrsrecht tätig, mit praktischer Erfahrung in allen Bereichen der zivilen Luftfahrt. Die Tätigkeit umfasst den klassischen Verkehrsflugbetrieb ebenso wie die Business- und General Aviation sowie die nationalen, europäischen und internationalen rechtlichen Rahmenbedingungen des Luftverkehrs.