Was macht eigentlich das Thema Nachhaltiger Luftverkehr, Herr Professor Maslaton?

Von LEE Sachsen e. V.
Mobilität

LEE SACHSEN FRAGT

Was macht eigentlich das Thema Nachhaltiger Luftverkehr, Herr Professor Maslaton?

Nachhaltigkeit und Luftverkehr gehören zusammen, weil nur ein grüner Luftverkehr Zukunft hat. Diese Voraussetzung verlangt aber umgekehrt zu erkennen, dass gewisse physikalische, genauer gesagt, aerodynamische Tatsachen nicht veränderbar sind (vgl. Borgmann 04/2020: 50ff.).

Ich möchte deshalb nachfolgend eingangs kurz diese Unabänderlichkeiten (generelle technische Lösungen) skizzieren und die Entwicklungen im nachhaltigen Luftverkehr strukturierend darstellen.

Danach geht es dann konkret um die Entwicklung eines spezifischen Flugzeuges in Sachsen.

1. Generell denkbare technische Lösungen

Energetisch ist ein Flug eine hochdynamische Angelegenheit. Es ist nicht so, dass zu jeder Flugphase die gleiche Menge Energie mit der gleichen Energiedichte erforderlich ist. Ohne hier theoretische Ausführungen aus der Flugausbildung zu erläutern, ist es, denke ich, einleuchtend, wenn man begreift, dass zum Zeitpunkt des Startes bis zur Erreichung der Reiseflughöhe nahezu maximaler Schub erzeugt werden muss.

Ist hingegen die Reiseflughöhe einmal erreicht, benötigt man ungleich weniger Energie, eben weil dann „nur“ Höhe gehalten werden muss.

Der Sinkflug ist inzwischen energetisch betrachtet die Flugphase mit dem geringsten Energiebedarf. Die heutige bordseitige Standard-Satelliten-Navigation ermöglicht ein „Heruntergleiten“ bis zur Landung (sog. continuous descent approach Verfahren). Aus diesen aerodynamischen Eckdaten resultiert eine Struktur wie Nachhaltigkeit umzusetzen ist, umgesetzt werden kann.

2. Biogene-/gleiche Treibstoffe

Erstes Modell ist ein schlichter Austausch des „dreckigen“ Treibstoffes. Idealtypisch kann man sagen, dass bei vollständigem Austausch des Treibstoffes durch biogene Treibstoffe nachhaltiger Luftverkehr unabhängig von technischen (Antriebs-)Fragen zu bewerkstelligen wäre. Optimierte Gasturbinen würden kaum verändert, eingesetzt werden können – elektrische Antriebe wären entbehrlich.

Energetisch und technisch ist dieser Weg in der Tat der einfachste und schon heute werden biogene Ersatzstoffe im Linienverkehr als Zusätze, teils bis zum vollständigen Ersatz, getestet; gleiches gilt für Synthetische Stoffe – beides faktisch losgelöst von Kostenfragen (mit herkömmlichen – selbst hohen Kerosinkosten – können letztere Stoffe noch nicht konkurrieren (vgl. Borgmann 04/2020: 50 ff.)).

Nicht vergessen sollte man bei diesem Lösungsweg indes die Diskussion aus dem biogenen Bereich der Pflanzenöle! Die „Teller-statt-Tank-Diskussion“ ist zwar keine sachlich zutreffende, bringt aber den gesellschaftlichen Konflikt auf dem Punkt: Breite Gesellschaftsschichten sind nicht bereit, Flächen, die potentiell für Nährstoffe bereitgestellt werden könnten, für technische Treibstoffe zur Verfügung zu stellen.

Es würde den Rahmen des Beitrages sprengen, diese Diskussion kritisch zu hinterfragen.

3. Wasserstoff

Wasserstoff wurde zum Antrieb in Gasturbinen bereits in den 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts genutzt, noch vor Kerosin (vgl. Schulte 03/2020: 80 ff.).

Heute kann man feststellen, dass die Nutzung von Wasserstoff in Gasturbinen technisch möglich ist – jedoch weitaus schwieriger als die Nutzung von biogenen Stoffen. Wasserstoff kann aber auch für andere Antriebskonzepte – etwa Elektromotoren, die ein extrem gutes Leistungsgewicht haben – genutzt werden.

Damit eröffnet man aber dann das unendlich weite Diskussionsfeld, woher denn die Mengen an grünem Wasserstoff (schnell!) herkommen sollen, wenn – wie insbesondere in Sachsen – die Errichtung von Erzeugungsanlagen für Grünen Strom unterminiert werden.

Davon zu trennen ist allerdings die Frage, ob man nicht im „kleinen Verkehr“, insbesondere im Regionalverkehr (europäisches/angrenzendes Ausland) bereits mit Wasserstoff und/oder elektrisch fliegen sollte/könnte. Dazu gibt es eine schier unendliche „Typen“- besser Ideenvielfalt. DHL etwa hat sich für ein rein elektrisches „kleineres“ Frachtflugzeug des Startups Eviation Alice entschieden (vgl. Zacher 06/2021: 54 ff.).

Dabei scheinen Lösungen, die die flugtechnischen Flugphasen entsprechend eines Antriebes berücksichtigen, vielversprechend – man spricht generell dabei auch von Hybridsystemen.

Hier gibt es Überlegungen mit einem einzelnen klassischen Gasturbinentriebwerk („Düse“) den Steigflug zu bewerkstelligen, sodann den Reiseflug mit Elektromotoren zu gestalten, die den Strom teilweise aus den Batterien, teilweise aus dem mit sehr geringer Drehzahl laufenden Hilfsaggregat (Auxiliare Power Unit) und Rekupation im (Ziel-)Sinkflug zu bewerkstelligen.

Mein Redaktionskollege Klaus Schulte aus der Pilot und Flugzeug berichtet regelmäßig in exzellenter Weise dazu.

Mehr Informationen:

Schulte, News zum Thema Elektroflug, Pilot und Flugzeug, 11/2016, S.76–81.

Schulte, Wasserstoffspeicherung und LOHC, Pilot und Flugzeug, 10/2019, S.76–84.

Schulte, ZeroAvia entwickelt Brennstoffzellenantrieb für Commuter-Flugzeuge, Pilot und Flugzeug, 10/2019, S.85–91.

Schulte, Ammoniak als Flugtreibstoff, Pilot und Flugzeug, 02/2020, S.74–85.

Schulte, Lithium-Schwefel-Akkus für die Luftfahrt?, Pilot und Flugzeug, 10/2020, S.84–90.

4. Nachhaltiger Luftverkehr in Sachsen

D328 eco

2019 hatte ich Gelegenheit das (bekannte) ex Dornier Muster 328 auf dem Leipziger Flughafen zu besichtigen (vgl. Maslaton 09/2019: 86 ff.).

Die D328 eco wird bereits ab Produktionsbeginn Turbinen erhalten, die den Betrieb mit biogenen Kraftstoffen ermöglichen.

Spannender – wenngleich auch (siehe Quellen unten) kein Alleinstellungsmerkmal in der Flugzeugtechnik – ist der Betrieb mittels Brennstoffzelle. Dazu unterzeichnete die deutsche Aircraft, die die D328 eco in Leipzig produzieren wird, schon im vergangenen Sommer ein Abkommen mit dem deutschen Startup H2FLY. Die Firma entwickelt im Baukastenprinzip Wasserstoff/Brennstoffzellen Module. 2025 soll erstmals ein Demonstrationsflugzeug abheben. Es ist eine Leistung aus dem Wasserstoffsystem von 1,5 MW prognostiziert. Damit sind anfangs Regionalflüge mit 40 Passagier:innen absolvierbar – derzeitige Reichweite 800 Kilometer. Das Modell ist skalierbar.

Die D328 eco ist eine innovative Maschine auf einer bereits zugelassenen, in langjährigem Flugbetrieb erprobten Plattform (vgl. Maslaton 09/2019: S.86 ff.). Bei allen Ansätzen im (Neu-)Flugzeugbau darf man nämlich nicht vergessen, dass die meisten innovativen Flugzeugtypen an einem hoch komplizierten, extrem aufwendigen Zulassungsverfahren scheitern können und auch scheitern – denn zu langer Atem und zu viel Geld sind notwendig. Was sich von den oben erwähnten Startups durchsetzt, bleibt eben deshalb auch in Zukunft abzuwarten.

Damit ist der sächsische Flugzeugbau aber keineswegs abschließend beschrieben.Größtes technisches Knowhow findet sich in Dresden.

Die Elbe Flugzeugwerke GmbH führt eine große Flugzeug-Tradition erfolgreich fort. Der einen oder anderen Person wird das erste vierstrahlige Düsenverkehrsflugzeug der Welt, die 152, noch etwas sagen.

Heute haben die Elbe Flugzeugwerke einen großen Namen bei der Konversion von Flugzeugen aus der Passagierluftfahrt in Frachter für viele große Fracht-Carrier weltweit. Dies ist ein Markt, in dem konzeptseitig/technisch Nachhaltigkeit praktisch überhaupt nicht betrachtet wird. Vielmehr werden gerade dort ältere Flugzeugtypen seitens ihrer Triebwerkstechnik und ihrer Verbräuche unverändert bzw. kaum verändert genutzt. Es wäre schön, wenn die Elbe Flugzeugwerke sich neuen Verfahren und Techniken nähern würden, zum Beispiel etwa einmal einem Hybrid-Flugzeug für die Frachttechnologie. Dies wäre ein neuer nachhaltiger und technisch anspruchsvoller Ansatz, der die große Tradition der Elbe Flugzeugwerke in Sachsen fortführen könnte.

Schließlich: Die gesellschaftliche Diskussion zu Fragen der Erzeugung biogener und synthetischer Energiestoffe und die gesellschaftliche Diskussion, wo und wie rasch alle erneuerbaren Energieerzeugungsanlagen flächendeckend gebaut werden können, um ausreichend Wasserstoff zu produzieren … diese Diskussionen können durch keine Technik ersetzt werden.

Gleiches gilt schließlich für den Wirtschaftszweig, der Gegenstand des nächsten Beitrages aus dem Bereich Luftfahrt sein wird:

Unbemanntes Fliegen/Drohnenwirtschaft bei der EE Nutzung

* Redaktionsschluss war vor Ausbruch des Ukrainekrieges

Quellen

Borgmann, Klimaneutraler Luftverkehr oder Greenwashing, AERO INTERNATIONAL, 04/22, S. 50.

Maslaton, Erste nationale Luftfahrtkonferenz in Leipzig, Pilot und Flugzeug, 09/2019, S.86–88.

Schulte, Fliegen mit Wasserstoff: Grummans Cheetah hält einen besonderen Weltrekord, Pilot und Flugzeug, 03/2020, S.80–86.

Zacher, Startfreigabe New Business, ELKTROAUTOMOBIL, 06/2021, S.54–63.

Prof. Dr. Martin Maslaton

RA Prof. Dr. Martin Maslaton

LEE Sachsen, Luftverkehr und Mobilität

Mehr Informationen: Luftfahrtexpertise & Luftverkehrsrecht

Prof. Dr. Maslaton ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht sowie geschäftsführender Gesellschafter der MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, die sich schwerpunktmäßig mit sämtlichen Fragen des Rechts der Erneuerbaren Energien befasst. Als Hochschullehrer unterrichtet er das Recht der Erneuerbaren Energien und das Umweltrecht an der TU Chemnitz, publiziert und referiert national und international zu diesen Themen, mit denen er sich im Rahmen seiner damaligen Tätigkeit als Referent im Deutschen Bundestag seit 1987 beschäftigt. Er ist als Funktionsträger in einer Reihe von Branchenverbänden engagiert. Professor Maslaton ist darüber hinaus Redakteur im Luftfahrtfachmagazin „Pilot und Flugzeug“.